Der Fair-Mieter

Stiftung statt Erbschaft

Wenn Mieter vom Wohnungseigentümer einen Brief erhalten, geht es meist um Nachzahlungen, Mieterhöhungen oder Schlimmeres. Die Überraschung, die der Berliner Pedro Elsbach an seine Mieter verschickte, löste hingegen Verzückung aus. Von Ute Barthel

Als Matthias Levy vor einem halben Jahr den Briefkasten öffnete, fand er einen Brief seines Vermieters. Eigentlich erwartete er die Ankündigung einer regulären Mieterhöhung, aber dann stutzte er. In dem Brief stand, dass das Mietshaus in Moabit nun Eigentum der Elsbach-Stiftung [externer Link zur Stiftung] sei. „Der Stiftungszweck ist die Überschüsse aus den Mieteinnahmen an gemeinnützige Einrichtungen auszuschütten“ stand in dem Schreiben. „Für Sie als Mieter gewährt die Elsbach-Stiftung als neuer Eigentümer ein sicheres Mietverhältnis für die Zukunft.“ Nachdem Levy das Schreiben gelesen hatte, war er erleichtert.

Seit 25 Jahren lebt der er bereits in seiner Wohnung und zahlt eine Kaltmiete von etwa fünf Euro pro Quadratmeter. Zum Vermieter pflegte er ein unkompliziertes Verhältnis. „Aber irgendwie hatte ich die Befürchtung, dass eines Tages das Haus verkauft werden könnte und dann vielleicht ein Immobilienhai käme und wir alle ausziehen müssten“, erzählt der 55-Jährige. „Aber nun kann ich aufatmen!“

„Und trotzdem verdienen wir noch immer genug Geld damit.“

Auch seine Nachbarin Ruth Hafkus freute sich über diese Nachricht. „Ich fand das toll“, ruft sie aus. „So können wir sicher sein, dass die Wohnungen nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.“ Die Rentnerin wohnt schon seit 40 Jahren in dem Haus. Gerade wurde ihr Bad komplett saniert. Trotzdem zahlt sie dafür keine Mieterhöhung. „Unser Vermieter hat immer peu à peu das Haus renoviert und natürlich ist auch meine Miete im Laufe der Jahre angestiegen, aber die Erhöhung war immer sehr moderat.“

Fast alle Bewohner des Hauses kennen ihren Vermieter persönlich. Es ist Pedro Elsbach. Der 67-Jährige sitzt in dem kleinen Büro seiner Hausverwaltung in Berlin-Steglitz und erklärt, warum er die Kosten für die Renovierung nicht auf die Miete umlegt. „Meistens machen wir eine Instandhaltung und keine Modernisierung. Die Bäder, die wir jetzt neu machen, die haben wir schon in den 60er Jahren modernisiert. Da müssen wir nicht noch eine Modernisierungsumlage drauf packen, das haben wir bisher nie gemacht.“ sagt er, „Unsere Linie ist, dass wir die Mieten immer nur sozial verträglich anheben, damit unsere Bewohner nicht ausziehen müssen. Und trotzdem verdienen wir noch immer genug Geld damit.“

Für die Stiftung aufs Erbe verzichtet

Die Familie Elsbach hatte sechs Mietshäuser im Westteil der Stadt. Im vergangenen Jahr starb Pedro Elsbachs Mutter. Doch schon vor ihrem Tod hatten sie die Idee, den Hausbesitz der Familie in eine Stiftung zu überführen.

„Einmal ging es uns darum, die Erbschaftssteuer zu sparen. Denn die ist sehr hoch. Um sie bezahlen zu können, hätten wir vielleicht ein Haus verkaufen müssen“, sagt der Vermieter. „Zum anderen wollten wir sicher gehen, dass die Mieter in ihren Wohnungen bleiben können und dass nicht eines unserer Häuser von einem Investor gekauft wird, dem es nur um die höchstmögliche Rendite geht. Deshalb haben wir die gemeinnützige Stiftung gegründet und meine Mutter hat sie im Testament als Alleinerbin bestimmt.“ Im Gegenzug haben er und seine Schwester quasi auf ihr Erbe verzichtet. Als Ersatz bekommen sie einen bestimmten Betrag aus den Mietüberschüssen ausgezahlt. Das ist immer noch genug, um damit komfortabel leben zu können.

Doch es ging nicht nur darum, die Steuer zu sparen. Mit den Mitüberschüssen fördert die Stiftung gemeinnützige Projekte. Zum Beispiel unterstützt sie einen Jugendtreff des Nachbarschaftsheims Schöneberg und gibt Zuschüsse für ein Sommercamp für behinderte Kinder.

Geprägt durch das Schicksal der jüdischen Mutter

Seine Mutter Brigitte habe eine stark ausgeprägtes soziales Verantwortungsgefühl gehabt, sagt Elsbach. Als 15-Jährige habe sie im September 1938 Deutschland verlassen müssen. Die jüdische Familie stammte aus Königsberg in Ostpreußen. „Meine Großmutter ist eigentlich der Lebensretter unserer Familie. Sie hat von einen Tag auf den anderen entschieden, dass sie fliehen müssen“, berichtet er. Sein Großvater sei total überrascht gewesen, als er die gepackten Koffer gesehen habe. Die drohende Gefahr habe er nicht erkannt. „Er fühlte sich als einhundertprozentiger Deutscher, hatte noch im ersten Weltkrieg als Soldat gekämpft. Aber meine Großmutter hatte geahnt, dass die Verfolgung der Juden immer schlimmer werden würde.“

Mit gefälschten Pässen flohen sie über die grüne Grenze in die Tschechoslowakei und dann weiter nach Marseille, wo sie ein Schiff nach Montevideo bestiegen. Dort wurde Pedro Elsbach 1950 geboren. Fünf Jahre später kehrte die Familie dann nach Deutschland zurück. „Als Verfolgte des Nazi-Regimes bekamen wir Geld als Entschädigung. Damit haben wir dann in Berlin günstig Immobilien kaufen können“, erinnert sich Elsbach. „Wir hatten nie das Gefühl, in das Land der Täter zurückgekommen zu sein, sondern in ein neues Deutschland. Ich habe nie Antisemitismus erfahren. Wir wurden hier wieder gut aufgenommen. Dafür war meine Mutter dankbar und sie wollte Deutschland etwas zurückgeben und kam auch deshalb auf die Idee, die gemeinnützige Stiftung zu gründen.“

Denn so wird auch für die Zukunft sichergestellt, dass die Mieten in den Häusern der Elsbach-Stiftung bezahlbar bleiben. Pedro Elsbach verwaltet auch viele Häuser von anderen privaten Eigentümern. Die meisten sind ebenso faire Vermieter wie er. Ihnen kann er das Stiftungsmodell nur weiterempfehlen. „Man sollte sich fragen: ‚Was passiert, wenn ich nicht mehr da bin? Würde sich etwas ändern an der Situation?‘ Wir wissen ja auch mit welchen Preisen derzeit Immobilien gehandelt werden.“ Es sei natürlich eine riesige Verlockung, in dieser Situation Häuser zu verkaufen. Wenn man seine soziale Verantwortung jedoch wahrnehmen möchte, solle man über das Stiftungsmodell nachdenken, sagt Elsbach. „Und es gibt auch innere Befriedigung, etwas Gutes zu tun.“

Beitrag von Ute Barthel